Mein Weg zur Korrektur eines behördlichen Fehlers – und warum es jetzt politisch gefährlich wird
1997 kam ich als zehnjähriges Kind gemeinsam mit meinen Eltern aus Kasachstan nach Deutschland. Wie viele Russlanddeutsche wurden wir als Spätaussiedler aufgenommen – auf Grundlage von Artikel 116 Absatz 1 GG und dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG). Damit galt ich nach deutschem Recht als Deutscher – ohne Einbürgerungsverfahren. Das war für mich damals nicht greifbar. Heute ist es das sehr wohl.
Denn laut deutschen Behörden besaß ich jahrelang zwei Staatsangehörigkeiten – die deutsche und die kasachische. Immer wieder, wenn ich einen neuen Personalausweis oder Reisepass beantragen wollte, wurde ich aufgefordert, zu unterschreiben, dass ich Doppelstaatler sei. Obwohl ich mehrfach widersprochen habe, sagten mir Sachbearbeiter*innen regelmäßig: „Dann müssen Sie nachweisen, dass Sie die kasachische Staatsbürgerschaft nicht besitzen.“
Das ist in der Praxis kaum machbar: Kasachstan erkennt keine doppelte Staatsbürgerschaft an. Wer eine weitere besitzt, riskiert dort rechtliche Konsequenzen. Zudem berichten viele Spätaussiedler*innen, wie kompliziert, teuer und teils sogar aussichtslos es ist, von kasachischen Behörden entsprechende Nachweise zu erhalten.
Weitere Informationen und Quellen:
Was mich aufrüttelte
Als Tierrechts-, Klimaaktivist und Antifaschist beobachte ich mit wachsender Sorge, wie rechte Stimmen – allen voran aus der CDU und CSU – immer lauter fordern, Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit die deutsche Staatsbürgerschaft wieder entziehen zu können. Friedrich Merz spricht davon, straffällige Doppelstaatler*innen „auszuweisen“ (Quelle). CSU-Politiker wollen Aktivist*innen für Klimagerechtigkeit und Tierrechte als Extremist*innen brandmarken. Und währenddessen stehen Gruppen wie die Letzte Generation wegen ihrer Aktionen als angeblich „kriminelle Vereinigung“ vor Gericht (Quelle).
Das zeigt: Die Diskussion über Staatsangehörigkeit betrifft uns Aktivist*innen direkt – nicht nur symbolisch, sondern potenziell ganz real.
Mein Weg zur Korrektur
Ich wollte den falschen Eintrag in meiner Akte nicht länger hinnehmen – vor allem nicht angesichts dieser politischen Entwicklung. Nach langer Recherche fand ich im Netz ein Foto einer Vorlage für eine Erklärung der Stadt Darmstadt, das für genau diesen Fall gedacht war. Ich baute diese Vorlage selbst nach und schickte es an die Stadt Rosenheim – in der Hoffnung, dass es endlich zu einer Lösung kommt.
Und siehe da: Innerhalb eines Tages bekam ich schriftlich die Bestätigung, dass der Eintrag in meiner Akte korrigiert wurde. Ich gelte offiziell nur noch als deutscher Staatsangehöriger.
Für alle Betroffenen:Hier ist der Vordruck als PDF
Ich möchte anderen, die sich in einer ähnlichen Lage befinden, helfen. Deshalb stelle ich hier den Vordruck, den ich verwendet habe, als PDF zur Verfügung:
Wenn du Russlanddeutsche*r bist, aus Kasachstan stammst und in Deutschland fälschlich als Doppelstaatler*in geführt wirst, kannst du mit diesem Formular bei deiner zuständigen Behörde eine Korrektur anregen.
Warum das wichtig ist
Es geht nicht nur um ein Kreuzchen in der Akte. Es geht um Schutz vor Willkür, vor Ausgrenzung – und um das Recht, hier zu leben, ohne ständig zu befürchten, dass einem die Staatsbürgerschaft entzogen werden könnte, nur weil man unbequem ist. Die Rechte von Menschen mit Migrationsgeschichte dürfen nicht zur politischen Verhandlungsmasse werden.
Weitere Informationen und Quellen:
Das Beitragsbild wurde von Vadim Justus mit KI (https://sora.com/) generiert.
Dieser Beitrag wurde eingereicht von
Vadim Justus
Vadim Justus arbeitet als Software Architekt. Privat engagiert er sich aktiv für die Themen Klima/Umwelt, Tierrechte und Antifaschismus. Seit 2024 ist er Beisitzer im Vorstand des Ortsverbandes Rosenheim.