
Grüne Ortsversammlung befasst sich mit angemessenem Gedenken an Naziopfer.
Vergangenen Montag referierten Karl-Heinz Brauner, Stadtrat und Sebastian Dürbeck, Vorstandssprecher, bei der Ortsversammlung der Rosenheimer Grünen im Gewölbekeller des Rizz zum Thema Stolpersteine.
Mit einer Kantenlänge von 96 Millimetern wirkt die niveaugleich im Boden eingelassene Oberfläche der Stolpersteine unaufdringlich, beinahe unscheinbar. Ihre Symbolkraft ist jedoch ungleich größer. Sie sollen an die Menschen erinnern, die dem Terror des Nationalsozialismus zum Opfer gefallen sind. Dem Gedenken derer dienen, die verfolgt, vertrieben, deportiert, umgebracht oder auch in den Selbstmord getrieben wurden. Dafür werden sie vor dem letzten selbstgewählten Wohnort der Opfer auf dem öffentlichen Gehweg angebracht, wo von diesem Zeitpunkt an eine Messingplatte Zeugnis über das Schicksal der ehemaligen Bewohner ablegt.
Individuelles Gedenken statt Anonymisierung der Opfer
In bisher 18 europäischen Ländern finden sich mittlerweile rund 50.000 Steine und bilden zusammen das größte dezentrale Mahnmal der Welt. Und das ist auch das besondere an diesen Steinen. Es handelt sich nicht um ein großes Monument, das Einzelschicksale anonymisiert. Vielmehr bieten sie die Möglichkeit individuellen Gedenkens.
Über sechs Millionen Menschen sind den systematischen Verbrechen der Nazis zum Opfer gefallen – eine unvorstellbar hohe Zahl, die sich nur schwerlich fassen lasse. „Aus diesem Grund bedarf es der individuellen Erinnerung.“, so Karl-Heinz Brauner. Im Juli letzten Jahres stellte die Stadtratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen daher den Antrag, die Stadt Rosenheim möge eine öffentliche Anhörung mit Expertenbeteiligung zum Thema organisieren. Die Stadträte sind der Meinung, die Stadt müsse sich endlich der Diskussion über eine angemessene Form des Gedenkens an die Opfer der NS-Zeit stellen. Zwölf jüdische Personen sind bisher bekannt, die dem braunen Terror in Rosenheim zum Opfer gefallen sind und für derer zu gedenken, Stolpersteine eine adäquate Möglichkeit wären. Der Historische Verein Rosenheim arbeitet zudem derzeit daran, mehr Licht ins Dunkel der Vergangenheit der Stadt zu bringen und weitere Opfer – auch welche nicht-jüdischen Glaubens – zu identifizieren. Der Antrag der Grünen Stadtratsfraktion fand – wenn auch etwas verspätet – Gehör, die öffentliche Anhörung wird derzeit vorbereitet.
Menschen gedenken Menschen
Sebastian Dürbeck ergänzt, dass es neben der Erinnerung an individuelle Schicksale, noch eine weitere Besonderheit der Stolpersteine gebe. Nicht nur Gemeinden, Institutionen oder Vereine können deren Anbringung initiieren, sondern auch einzelne Menschen – zumeist Nachkommen der Opfer. Und bereits bei der Verlegung der Steine beginne der erste Kontakt mit dem Gedenken und eine aktive Auseinandersetzung mit diesem dunklen Kapitel unserer Geschichte. „Nachbarn, Passanten und Nachkommen, die [dieser] beiwohnen, kommen ganz automatisch ins Gespräch und pflegen so von Anfang an das Andenken.“, so der Vorstandssprecher.
Kein Konsens im Kasus Stolpersteine
Die öffentliche Meinung über die Stolpersteine ist derweil gespalten. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, spricht sich gegen diese aus – vor allem wegen deren Platzierung am Boden.Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland Salomon Korn hält die Steine wiederum für eine adäquate Form des Gedenkens. Weitere prominente Unterstützung erhalten die Steine durch Anne Will: „[…] sie lassen die Deutschen ein ums andere Mal über die nationalsozialistischen Verbrechen ‘stolpern’ und halten so die Erinnerung an die Opfer wach.“, so die Fernsehjournalistin.
Wichtig sei, so Stadtrat Brauner, die Debatte nicht nur auf die jüdische Sicht zu verkürzen, da auch andere Menschen Opfer der Naziverbrechen wurden. Der erste Stein wurde beispielsweise in Köln zum 50. Jahrestages des Auschwitz-Erlasses gelegt. Damals befahl Reichsführer SS Heinrich Himmler die Deportation und Vernichtung aller im Reichsgebiet lebender Sinti und Roma.
Nächste Ortsversammlung im Februar
Der Rosenheimer Ortsverband Bündnis 90/Die Grünen bedankt sich bei den Referenten für den informativen Vortag sowie bei allen Anwesenden für die rege Aufmerksamkeit. Alle interessierten Bürgerinnen und Bürger sind am 02.02. um 20:00 Uhr herzlich zur nächsten Ortsversammlung mit dem Thema „Was macht eine Stadt lebenswert?“ in den Gewölbekeller des Rizz eingeladen.
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